Das Schloß am selben Berge
Kaum, daß der Sommer kam, bat mich der Kämmerling das Dach neu einzudecken. Doch da mir jegliche Kenntnis fehlte, richtete ich großen Schaden an. Natürlich mußte ich diesen begleichen, doch meine Börse war so leer, wie nur irgend denkbar. Was tun, dachte ich so bei mir und erschlug die Kämmerin, nahm ihr Geld an mich und bezahlte so beim Schloßherrn die Rückstände. Aber die Belegschaft mißte natürlich die Kämmerin und so verstellte ich mich und gab mich als ihre Person aus, was mir viel und auch schmutzige Arbeit verhieß. Sollte es nun mein Los sein, zu verbleiben in diesem Trosse, welcher mir jegliche Freude versagte?
Nein! Denn Erlösung ließ nicht lange auf sich warten.
Auf Grund finanzieller Schwierigkeiten, sah sich mein jetztiger Herr gezwungen, einen Teil der Belegschaft zu entlassen. So auch mich. Da ich aber ein Dach über dem Kopf brauchte, versteckte ich mich später in den Kellergewölben des Schlosses und richtete mich notdürftig ein. Doch Vorsicht ward geboten, durfte ich doch nicht entdeckt werden. So wurde ich , eigentlich ziemlich gegen meinen Willen, zu einem Wesen der Nacht. Ich entwickelte die außerordentlichsten Instinkte, war ich doch täglich gezwungen, die Speisekammern zu berauben, wollte ich nicht starken Hungers darben. Aber ich fühlte mich auch sehr einsam, konnte ich doch zu niemandem sprechen, um mich nicht zu verraten. Kurzum, ich wurde immermehr zum Tier und eh ich mich versah, konnte ich nicht mehr anders leben.
1994