Ich leb im Erdenhaus

So als ich frühsteckte, ward mir bewußt, daß Krumen mir den Hals drückten. Ein fürchterlich Gefühl! So nahm ich Hacke und Schaufel und begrub die Brotreste, zu bessern mir des Gaumens Fleiß. Und sah in den Morgen. Welch Sonnenqual am Himmelseck, zu treiben mir die Nächte. Ich stellte mich in den Bach und ließ trübe Fluten an mich rieseln, um sauber meinen Korpus in das Tageslicht zu geben.

Jetzt bin ich frisch, denke ich noch, als ein feuchtig, warmer Sudwind mir schleimhaftiges Algenmoos in die Augen trieb. So sollte es wohl mein Los sein, verschmutzt mein Tagwerk zu beginnen, mit grünen Polstern in den Augen. Verdutzt horchte ich auf, als eine neblig, schwadige Stimme mein Ohr mir verklärte. Mit selten rauchigem Gesang. So schallte es:

"Bleib mir dort wo es ist! Setz dich hier wo es war! Sei weg wenn nicht!"

Was sollte es deuten, frug ich noch den Himmel, als die Antwort schon funkenstiebend vor mir stand. Ein gleißend, flammender Oktaeder, welcher mit sirenenhaftiger Stimme mein Namenswort schrie.

"Wer seist du?" frug ich ohne lang zu sinnen. Gelächter war die Antwort. Ich nahm meine sieben Jacken, schnürte in windiger Eile meine Stiefel und stob davon, mit unbekanntem Ziele. Doch ES war schneller. Noch war es wie ein Wunder in meinem Hirn, ahnte ich noch nicht den Bezug zu seinem Vers:

"Bleib mir dort wo es ist! Setz dich hier wo es war! Sei weg wenn nicht!" So mußte ich wohl verweilen, zwang es mir doch sein Diktat auf. Ich legte über mich, was nun zu tun sei und wieder kam Gelächter, noch laut aber gesinnter. So hub ich an ein zweites Mal nachzuforschen, nahm mir mein Herz und sprach: "Was mag dein Anliegen wohl sein, da du mich zwingst?" Unter gurgelnd heißem Schaum kam aus seinem Innern ein Satz wohl nur, gepreßt und kaum verständlich:

"Ich leb im Erdenhaus!"

Fast gar so schnell wie es erschien, verschwand es schnell im Himmelszelt, mit Getöse, schrecklich und betäubend. Am Leibe zitternd wie Drahtgeflecht, langte ich zu Hause an und speiste mich mit Honigbrei. Denn Brot konnte ich seit Morgens nicht mehr wollen. Als ich gelabt war, stiegen schon die schweren Schatten der finsteren Nacht herauf. Ich legte mich betten und entfuhr sogleich dem Wachen.

1994