Sommer

Eine Wolke. Nur eine Wolke. Und eine Sonne. Die einzige unter den Sonnen. Seine Füße trieben ihn voran, liefen Slalom und benetzten den trockenen Boden mit Schweiß. Die Augen leuchteten im Fieber, ein Fieber von Durst geprägt, von der Hitze genährt, doch dem Wahnsinn ein labender Tropfen. Er setzte sich, zog den Hut tiefer ins Gesicht, wollte ausspucken, besann sich eines Besseren und befeuchtete seine Lippen mit den Resten seines Speichels.

Mittag, Ödland, bar jeder Feuchtigkeit. Vierundzwanzig Stunden war er bereits auf den Beinen. Die Glut brannte ihm die letzten Gedanken aus dem Kopf, welcher sich mehr und mehr zwischen seinen Schultern versteckte. Eigentlich ging er von zu Hause fort, um seiner Einsamkeit zu entfliehen. Doch jetzt fühlte er sich einsamer als je zuvor.

Durst! Das Brennen in seiner Kehle weckte ihn aus seiner Lethargie. Noch etwas benommen richtete er sich auf, stützte sich mit den Händen ab und kämpfte mit den wackeligen Beinen um sein Gleichgewicht.

Gestern war er auf der Suche nach Freunden, Bekannten oder einfach nur Leuten mit denen er hätte reden können. Doch die Fackel des Sommers hatte sie alle aus der Stadt getrieben. Er suchte in Kneipen und Bars, in Clubs und Cafés, betrank sich, wurde nüchtern, betrank sich wieder und gab schließlich die Suche auf.

Und nun stand er hier, im gleißenden Licht der Nachmittagssonne. Allein. Schwankend schlug er sich heimwärts, zehn Mark in der Tasche und den Untergang im Herzen.

Die letzte Bar vor der großen Leere, die letzte Möglichkeit eines Versuchs, ein letztes Aufflackern von Hoffnung. Eine Wolke schob sich vor die Sonne, er öffnete die Tür, vernahm ein Hallo, setzte sich an den Tresen und schlief ein.

Der Sommer war vorbei. Er war zu Hause.

1994