Der sibyllinische Hund

MORALLI / RICHTER

Schüchtern rollte der Mond durch den Forst, trug auf seiner Schweineschnauze ein Männlein und erreichte eine Lichtung.

Er sprach sogleich zu sich selbst "Was solls, ich bin ja doch nur ein Schweinehund."

Er kürzte einen Tannenstamm, entzündete kein Feuer und brüllte in das Dickicht "Hau ab du Sau!"; doch das Feuer blieb aus.

Nun kam des Forstwegs ein gewaltiger Schober entlang, auf dem Bauern saßen und sich gegenseitig zuzwinkerten und Witze machten Über den Wald. Doch in dem Wald war es finster.

Der eine sagte noch zu dem anderen "Paß doch auf du Bauer!"; aber es war bereits zu spät. Mit röhrendem Gelächter stob ein Beilhirsch auf die Lichtung und fuhr unter die Deichsel.

Und er blieb dort hängen und begann dort zu wohnen. Und das Fell fiel von dem Tier ab und lag im Winterschnee. Der Mond erleuchtete dies Zeichen und richtete den Blick weise gen Norden.

Im Norden, so wußte er als lebenslanger Erdbegleiter, wohnt das Volk der Cymrer. Diese Weitsicht verhalf ihm zum Wissen um die Waldsäue und Dorfschweine. Aber eins blieb ihm verborgen. Der Morgen.

Wer erhob sich aus dem Strauch? Eine Riese, ein rechter Ruck ging durch das Wäldchen, als er einen Schuh aus seinem Zwieback drückte, der darinnen viele Tage verborgengewesen war, um der Stadt, dem Werk Satans, Schuhlicht vorzuenthalten und Satan, so nannte sich ein Hauptmann in Orfeld, tobte an seinem Fenster, so daß der Kohlmarkt schloß und in Asche sank.

Ein fleißiger Bauer trug die Asche auf sein Feld, pflügte und säte, wässerte den schlammige Orfelder Boden und im Frühjahr konnte er stolz sieben Burgruinen sein eigen nennen.

Er machte fein eine Kalesche sich und stülpte ein Otterfell dahinüber, so daß es lustig aussah.

Denn er wußte das Weihnachtsfest nahte. Er beschloß den Otterdarm mit fruchtigem Tannenwein zu füllen, spannte eine Sau vor die Kalesche und preschte in rasanter Fahrt zum Meinauer Dom, wo er sich betrank und erbrach.

Beim Hinausgehen trat er noch auf ein Kruzifix und fiel in Gnade Gottes. Nun durfte er im Dome hausen und bitter Hof halten und Krieg beginnen gegen Pöppelstadt, die am Ufer der Krunke wuchs und wuchs, in einen Wahnsinn hinein.

Aber der Pastialnovize drohte mit dem Schwert zur Vatikanstadt, hatte doch dort der Eisenerzbischof ein Verbot gesprochen, das den zu jener Tat spornte.

Und einen Mantel fein legte er aus und tanzete darauf einen kriegerischen Tanz. Und eine Magd schaute ihm zu und trank Wein dabei bis die Sonne sank und sie in dem Stall ihre ernste Arbeit tun mußte.

Jedoch in dräuender Nacht sprang er zu ihr in den Trog, schlug drei Kreuze und beging den Beischlaf. Am Morgen fand man ihn hängend an der Himmelspforte und sprach durch einen Kranz hindurch ein Gebet.

Ein Schober auf Rädern kam nach Pöppelstadt auf den Markt. Und der Markt wurde von einem Toten geführt, der sprach "Nimm diesen Platz dir, um Heu zu verkaufen." und ging dann fort.

Die Glocken wurden geschlagen, ein Mann hüllte den Gehenden in einen Mantel, brach eine Lanze, soff und heulte und goß einen Krug mit siedendem Wasser auf sein ergrautes Haupt.

Die Bauern aber riefen im Chor zu dem Marktführer "Ja." und gingen auch fort und die Schrift erfüllte sich noch weniger als das letzte Mal.

Mit dieser Weissagung behaftet, verkam der Markt zu einem Hurenplatz an dem die Galgen zu ungezählter Zahl in Reihe standen. Das Pflaster der Zufahrtsstraßen mit Schädeln gepflastert, brachte die Leichen- und Henkerkarren passend zum Ziel.

Und noch allerlei eitel Werk wies dem Zustrom den richtigen Weg dahin, wo man sich entbot und dann noch im letzten Momente es sich anders überlegte.

Ein Dickicht war an jenem Platze, in welchem ein Tier ein Unwesen trieb, das den Menschen Grauen einflößte und dem Henker so manche Vollstreckung erübrigte.

Ein Posthaus tat an eben jener Stelle auf und hatte ein Zeughaus zur unmittelbaren Nachbarschaft. Bald schon taten sie es zusammen.

An dieser Straße, die Postkutsche kam jede Woche einmal, fand man einen Bettler und einen Krüppel. Auch sie taten sich zusammen und waren arm und krank, trotz der regelmäßigen Postsendungen.

Sie waren alt und doch jung geblieben. Oft spielten sie sie wären anderes Volk. Sie spielten dann "Gehenkt!" im Stadtwald und lachten aus dem vollen Halse in Pakete hinein.

Dieses Spiel war nicht neu. Schon manchem war dabei das Lachen im Halse stecken geblieben, doch dem Bettler war es eine Erlösung nach Orfelder Art.

Er band seinem Freund den Schuh ab und spornte ihn zum Gehen über festgefrornes Land, öd und auch leer von menschlicher Art. Nur Diener des Herren eiferten hier in Eishäusern und gossen Feuer in Herzen.

Es war ein wahrer Feldzug der Christenmenschen. Aus kalte Tiefe sprossen an jener Stelle im ewigen Eis die Tannen hoch wie Giganten und spendeten den frommen Kreuzlern eine Flut an Dreck und Holz.

Ein Verdikt hing eines schönen Morgens an einer hohlen Tanne an. "Verkündung" stand hier, von einer Tat, geschehen so am gestrigen Tage zu Pöppelscher Stadt all an der Krunk gelegen.

Ein Pabst kam herbei, schöpfte mit dem Hohlen Kopf etwas Wasser aus dem Flüßlein und wusch sich die Schuhe. Und da war er wieder, der mörderische Waldhund. Er zeigte seine schwertgleichen Zähne und hieb, mit nur einem Satz, dem Manne den Arm ab.

Der Vater rief nach seinem Knecht, der auf dem Dorf wohnte, zur Untermiete bey einer Hure. Und dieser sah auf das Nürnberger Ei in diesem Augenblick. "Sieh da!", es war Zeit, daß er rief.

Mit festem Schritt kamen nun all die Bewohner der Dorfschaft an den Ort des Geschehens, würgten das Tier und versprachen ihm die Hure, wenn es von dannen zöge. Es hob die Lefzen und erbrach sich beim Anblick des syphillitischen Weibes.