Ballade von den Gezeiten
Der Mond wirft einsam seinen Schatten
auf das geliebte Erdenland
und eiligst formen sich die Watten
im Wasserbett, am Uferrand.
Zurück bleibt Erde toten Gartens,
der Hoffnung stillen Seins beraubt,
wenn nicht nach Stunden bangen Wartens
die Rückkehr Existenz erlaubt.
So spielt das All mit seinen Mächten,
erbarmungslos und doch gerecht.
Der Mensch vermag es nicht zu knechten,
in diesem ungleichen Gefecht.
Und ähnlich ist es mit dem Gelde,
erst wird genommen, dann gereicht.
Des Bösen, Habgier Schlachtenfelde.
Wie doch ein Ding dem Andern gleicht.
Doch Flut und Ebbe halten Waage,
die niemals ungleich ausgefällt,
wenn nicht am Ende unsrer Tage
der Mutterstern zu Staub zerfällt.
Aber die menschlichen Gezeiten
sind grausamer und ungerecht.
Denn niemand wollte wohl bestreiten,
daß Armut zahlt und Reichtum zecht.
Drum gilt es eines auszurichten,
als hielte man das Wasser an.
Wenn Ebbe kommt, die Anker lichten,
daß man bei Flut ersaufen kann.
1989